Die Mälzerei heißt Hesperidenhöfe

In unserem eigentlich idyllischem Kiez ist ja inzwischen einiges an Aufruhr eingekehrt.
An Samstagen fährt der MC Club in der Behmstaße lautstarke Durchfahrten, die Flugzeuge können bei Ostwind nicht anders als laut sein, aber eines ist klar: es wird auf die Schließung von Tegel hin spekuliert. Vorhandene Objekte im Kiez wurden inzwischen mit viel Kapital und gleichzeitigem Ach und Weh saniert. Selbst im Blog von Daniel Prusseit fällt auf, mit welchen weitreichenden Mitteln man arbeiten muß, um Wohnungsbesitzer in den Hesperidenhöfen zu werden. Aber die Mischung bleibt gleichzeitig bestehen und ich habe mich immer gefragt, wie die hübschen Wohnblöcke, zwanzig Meter weiter südlich, mit der Hesperidenarchitektur zurechtkommen. Schöne, restaurierte Zimmermannsdetails im Zusammenhang mit dem Problem, nach dem Umzug die 600 Euro Kaffeemaschine wieder anschließen zu könnnen, interessieren 20 Meter weiter südlich nicht so sehr.

Es gibt sogar neue Widerstände: die Kleingärtner aus der Zwischennutzung seit 90 Jahren wehren sich auf einmal gegen die Abwicklung ihrer Kolonie im großen Berliner S-Bahn Dreieck zwischen Prenzlauer Berg und Pankow. Über Verträge und Abmachungen zur Grundstücksnutzung weiß ich nichts. Aber die zukünftige Nutzung ist wohl klar: nach Tegel sind das Townhouses mit Handtuchgarten @ 400.000 € im inneren Grundstücksbereich, an der Straße ein paar Baugemeinschaften oder andere Projekte in 3 oder 4 geschossiger Straßenrandbebauung, siehe Prenzlauer Berg Eschengraben.

Das kommt so. Und in Berlin fehlt Wohnraum, den sich der Besserverdiener sogar im Grünen schaffen kann, mit der Notwendigkeit, das vorhandene Grüne vorher abzuholzen.
Aber in Pankow haben wir trotzdem noch mehr. Es ist derzeit sehr spannend. Ich bin auch kein alter Pankower und seit 2005 ein typischer Florastraßenaltbaubewohner, trotzdem kenne ich den Kiez ein wenig und hoffe, ich kann ihn auch sehen. Mit der Auffassung der Hesperidenbewohner muss man sich einfach auseinandersetzen. Die haben für ihren Weg in die Eigentumswohnung sogar noch ein Lutherzitat parat:

Das größte Haus ist eng,
das kleinste Haus ist weit,
wenn dort ein Gedräng
und hier Zufriedenheit.

(Webseite Daniel Prusseit)

Dazu lässt sich sagen:

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein;
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiesen sein,
Auf der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden;

Andreas Gryphius, 1630

Mauerfall und Pankow ist multikulturell…

Wollankstraße

…ist eine Behauptung, die nicht unbedingt zutrifft. Nicht umsonst heißt unser „Zentralpark“ Bürgerpark. Am Westende dieses Parks picknicken immerhin inzwischen auch mal Familien aus dem Wedding.

In diesen Wochen sind die Deutschen wieder einmal mit einem Jubiläum beschäftigt, das es auf möglichst angemessene Art zu bewältigen gilt. Artikel und Ausstellungen zu diesem 20igsten Jahrestag des Mauerfalles gibt es schon seit längerem, doch allmählich stellt sich vielleicht wirklich bei manchen eine plastischere Erinnerung an jene Tage ein. Das wird am Wetter liegen, am ungemütlich gewordenen Draußensein in diesem Land, am Dahinhuschen im Nieselregen von einem gelben Fleck der Straßenlaternen zum anderen.

Wenn ich mich recht erinnere, ich habe den Mauerfall auf Westberliner Seite erlebt, konnte damals das manchmal gnädige, meist unerbittliche Wetter eines Deutschen Herbstes der Wucht der Ereignisse nichts anhaben. Die vielen Menschen haben sich, immer draußen, gegenseitig gewärmt.

Aber haben sie auch die Grenzen wirklich verschwinden lassen? Es gibt eine Passage hier in Pankow, die man zu  jeder Jahreszeit absolvieren kann, aber in diesen Tagen mit dem entsprechenden Wetter wird sie um ein vielfaches eindringlicher: man geht auf der Wollankstraße durch die Unterführung der S-Bahn von Pankow nach Wedding. Wer hierbei die Begrenztheiten unserer Lebenswelten, den Willen zu Unverständnis und Abgrenzung nicht spürt, muss eigentlich tot sein.

Das hat wohl ein anonymer Sprayer, vielleicht der letzte Maueraktivist, genau so gesehen. Das Graffiti mit der Losung „Happy Mauer 2009“ ist ein Neujahrsgruß, der nicht nur für unsere Region gilt, aber eben auch hier zutrifft. Gesehen an der Unterführung Wollankstraße, war das Graffiti auch an anderen Orten des ehemaligen Mauerverlaufes genau so plötzlich vorhanden, wie es wieder entfernt wurde.

Das Phantom des letzten Maueraktivisten habe ich dokumentiert, es ist Teil der Ausstellung „Westmauer&Schamanen“, weitere Infos  gibt es hier

Michael Waitz

48 JAHRE DEUTSCHE TEILUNG

48 JAHRE DEUTSCHE TEILUNG

(DURCH DIE MAUER)

„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Dieser Satz von Walter Ulbricht ist sicher der bekannteste im Zusammenhang mit dem Berliner Mauerbau. Die Geschichte der Berliner Mauer beginnt also mit ihrer Verneinung. Ein solches Konstrukt hat es nicht geben dürfen, jedenfalls nicht als Mauer.

Wie auch immer man das Bauwerk nennen mochte, das in den Jahren nach diesem Ausspruch an den Sektorengrenzen der Westalliierten errichtet wurde, als Grenze manifestiert hat es sich sehr schnell.

In den ersten Tagen konnte man sich noch zuwinken oder an einer günstigen Stelle über frisch gerollten Stacheldraht springen. Etwas später war eine Überwindung nur durch Sprünge aus hohen Fenstern in das Feuerwehrtuch oder gar durch komplizierte Tunnelbauprojekte möglich. Im Versuch, die gesicherte Sektorengrenze zu überwinden, starben etwa 125 Menschen (Quelle: Wikipedia), die Hälfte davon in den ersten 5 Jahren nach Ulbrichts Nachdenken über die Kapazitäten der Arbeiter im Wohnungsbau.

Die materielle Gegenwart dieses vielfach gestaffelten und in seinen Bereichen genau durchdachten Berliner Bauwerkes mag für viele Einwohner der Hauptstadt der DDR, die keinen Zugang zu den grenznahen Bereichen hatten, eher abstrakt geblieben sein. Die Einwohner Westberlins hatten die abschließende Betonfertigteilmauer vor der Nase. Deren erste Elemente waren in ihrer Funktion eigentlich als Lagerwände für Stallmist gedacht. Später wurden sie ersetzt durch das so genannte Stützwandelement UL 12.11. Höhe (ohne Röhre): 360 cm. Breite: 120 cm.

Obwohl auf dem Hoheitsgebiet der DDR liegend, hatten Westberliner Bürger ungehinderten Zugang zu jener Wandfläche, die je nach Sichtweise den Anfang oder Abschluss bildete. In den 28 Jahren ihrer Existenz bildete diese Wandfläche als größte Pinnwand der deutschen Geschichte dann auch einen reizvollen Anlass für das Grabbeln, Furchen und Bemalen. Für den Blick auf die andere Seite wurden Aussichtsplattformen installiert. Merkwürdigerweise gab es in den Westberliner Sektoren nur sehr vereinzelte Aktionen, die das Ziel hatten, die physisch vorhandenen Mauersegmente zu sprengen.

Die Bedeutung dieses durch Beobachtungstürme, Scheinwerfer, Sensoren und Minenfelder unüberwindlich gemachten Bauwerkes verlor sich im Herbst 1989 sehr schnell. Die Negation seiner Existenz mündete, eine Spezialität der deutschen Auffassung von Realität, in der versehentlichen Aufhebung seiner Bedeutung.

„Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“

ist der zweite bedeutsame Satz im Zusammenhang mit der Existenz des Bauwerkes. Schabowski entmanifestierte damit die Bedeutung dieser Anlagen, sie verschwanden in den nachfolgenden Prozessen innerhalb weniger Monate fast vollständig.

In den folgenden Jahren bedurfte es einiger Anstrengungen, den Verlauf dieser einstmals so unüberwindlichen Grenze wieder sichtbar zu machen. Es gibt aber doch einige Übergänge, bei denen man als unvoreingenommener Beobachter die Wucht der einstigen Gegensätze spüren kann.

Ein Berliner Sprayer hat diese Grenzen erneut bestimmt. Leider wurden seine Arbeiten kaum gesehen und unverzüglich entfernt. 48 JAHRE DEUTSCHE TEILUNG von Michael Waitz dokumentiert seine Arbeit, die eine gewollte Utopie und deren Aufhebung als Wirklichkeit behandelt.

Pankow als Planet

Pankow…kommt schon in dem Lied mit Bolle vor. Aber Bolle musste reisen und verlor seinen Jüngsten, das trifft auch heute wieder zu.

Pankow ist im Moment ein begehrter Berliner Stadtteil, in dem sich viele junge Familien ansiedeln. Eine gewisse Vorortstruktur und viele Parks, viel Platz für Kinder begünstigen das.

Pankow hat eine interessante Geschichte, die Stichworte Schönholzer Heide und Majakowskiring seien genannt, schwebt als Planet aber immer ein wenig über der Innenstadt. Das war früher wohl so und fühlt sich auch jetzt anders ähnlich an. Der gefühlte Abstand zum Stadtteil Prenzlauer Berg mag nur die Entfernung Erde – Mond  sein, zum angrenzenden Stadtteil Wedding beträgt er schon mehrere Lichtjahre. Nur weil man ein paar Meter weiter geht.

Das ist interessant, und deshalb baue ich dieses Blog auf. Ich wünsche mir viele Autoren, die Meinungen und Erfahrungen zu Pankow als Lebensumfeld,  zu dessen Geschichte und zu aktuellen Prozessen und Veränderungen haben. Und natürlich: Tipps zum Leben in Pankow sind immer willkommen!

Ich freue mich über neue, kompetente Autoren! Wir bloggen unseren Stadteil.

Michael Waitz